Dale Carnegie oder die Macht der Vorstellung
20.08.2021 – Peter Kern
Bald geht die Sonne in das Zeichen Skorpion. Dieses Horoskop erzählt von der Energie dieses mysthischen Zeichens. Dale Carnegie war nicht der einzige Apologet des Positiven Denkens. Der zehn Jahre jüngere Joseph Murphy sollte ihn nach dem Zweiten Weltkrieg an Bekanntheit und Anhängerschaft noch übertreffen.
Artikel von Robert Müntefering, zeitdiagnose.de, am 11.08.2004.
Gemeinsam ist beiden, wie auch allen ihren Nachfolgern, der Versuch das Unterbewusste mit eigenen Vorstellungsbildern zu programmieren. Sie gehen von der Annahme aus: "Wer Erfolg erwartet, der bekommt Erfolg. Wer Misserfolg erwartet, der bekommt Misserfolg". Die selbst erfüllende Prophezeiung wird hier zur Strategie eines kalkulierten Erfolgsbewusstseins. Der Erfolg stelle sich dann ein, wenn das Unterbewusste von der suggerierten Botschaft "überzeugt" sei und als reale Entsprechung ins Leben stelle.
Wer radixmäßig stark skorpionisch ausgerichtet ist, also z.B. mit einem Pluto in Haus eins und einer Sonne in acht, braucht ohnehin die Lektüre von Carnegie und Murphy nicht, denn er läuft ständig Gefahr, dass die eigenen Vorstellungsbilder real werden. Ein Beispiel aus der Praxis soll dieses Prinzip verdeutlichen: Vor zwölf Jahren arbeitete ich für die amerikanische Photoagentur "Image Bank", die mittlerweile im Zuge der allgemeinen Globalisierung vom Bildriesen Marc Getty geschluckt wurde. Ausgestattet mit einer Minolta und einigen Wechselobjektiven hatten meine Bilder natürlich in der Zeichnung nicht die Brillanz wie solche, die mit einer Leica aufgenommen wurden. Zwischen einer Minolta und einer Leica liegen halt Welten, vor allem aber signifikante Preisunterschiede. Im Sommer 1992 photographierte ich in den Abendstunden München und machte nach getaner Arbeit regelmäßig an einem bekannten Photogeschäft gegenüber dem Sendlinger Tor halt. Dort lag die gesamte Leica-Ausstattung vor mir, ausgebreitet in der Auslage des Schaufensters, die mich - trotz oder vielleicht wegen der unbezahlbaren Preise - magnetisch anzog. Das Bild, eine Leica zu besitzen, wurde in mir so stark, dass ich an den folgenden Abenden beim Aufschrauben meiner Minolta auf das Stativ, das Gefühl hatte, ich hätte die dreimal schwerere Leica in den Händen. Ich brauchte mir keinerlei Mühe für das Vorstellungsbild zu geben. Es lief einfach wie ein Film ab. Als ich eine Woche später die gerahmten Dias zur Qualitätskontrolle auf den Leuchttisch der Agentur legte, fragte mich mein damaliger Chef, ob ich denn immer noch mit diesem Glasscherben von Minolta arbeitete. Er bot mir an, ab sofort die firmeneigene Leica-Ausrüstung zu benutzen. Innerhalb von einer Woche war mein Vorstellungsbild real geworden!
Was ist dabei abgelaufen? Die Bildbotschaft der Leica hatte mein Unterbewusstes erreicht und somit ein Vakuum in meinem achten Haus entstehen lassen. Nach dem bekannten Satz der Naturphilosophie, wonach die Natur vor jeder Leere zurückschrecke ("natura abhorret vacuum"), musste das so entstandene Vakuum eher früher als später mit dem entsprechenden Inhalt ausgefüllt werden. Anders herum ausgedrückt, mein damaliger Chef gab mir die Leica keineswegs freiwillig, er wurde vielmehr Opfer eines durch mich unterbewusst gesetzten Zwangs. Jede Magie läuft über dieses Prinzip.
Ich bin mit Carnegie und Murphy einig, dass das Prinzip tatsächlich funktioniert. Nur darüberhinaus stelle ich die Frage nach den Folgen. Ich bekam damals nach dem Prinzip "Die Welt als Wille und Vorstellung" nicht nur meine heiß ersehnte Leica, sondern wenig später auch noch meinen ebenso ersehnten Vertrag als Agenturphotograph der Image Bank. Ich habe gewiss einige photographische Fähigkeiten und einen guten Blick für Bilder, nur … ich bin von meinem Wesen kein Photograph. An einen Anselm Adams oder Pete Turner komme ich nicht ansatzweise heran. Das Übermächtigwerden meiner Vorstellung hat mir zwar den Einführungserfolg gewährt, mich aber insgesamt mich von dem weggeführt, was meinem Wesen entspricht. Schauen wir uns dieses Prinzip anhand der Radix von Dale Carnegie genauer an.
(24.11.1888, 11:15:16 GMT, Maryville mit Saturn auf dem MC als Bestimmendes der Erscheinung)
Das illusionäre Vorstellungsbild von Pluto-Neptun, mit dem bereits Leo Burnett seinen Marlboro-Mann kreierte, wird auch bei Carnegie als Gestalt entlassen, hier sogar unmittelbar vom Skorpion-AC. Abhängig vom Stier wird die Konstellation mit der Venus in Haus zwei gegenständliche Erscheinung, d.h. das illusionäre Vorstellungsbild "inkarniert" und bekommt einen körperlichen Träger. Damit dieses Prinzip zum Ursprung kommen kann, muss es nach Carnegies eigenen Worten visualiert werden, was mit einem Uranus auf der zwölften Hauserspitze geschieht, um dann als Waage-Venus, also als Bildausgabe, im zweiten Haus real zu werden. Der so entstandene Bestand wird dann von einem Jupiter im zweiten Haus bestens gefügt. dass seine Sonne auf dem Mars-Pluto-Grad von 2,5° Schütze steht, wird in diesem Zusammenhang ebenso wenig überraschen wie die Opposition dieser Sonne zum besagten Pluto-Neptun. Nicht unerwähnt bleiben, soll die Lilith auf dem Saturn-Merkur-Grad von 2,5° Zwilling, der in Rhythmenlehre als "Heiligung des Intellekts" gekennzeichnet wird. Auf dem gleichen Grad steht auch die Lilith des bekannten Italo-Westerns "Spiel mir das Lied vom Tod". Es scheint, als locke diese Lilith gerade die Skeptiker, die an nichts und niemand glauben, in die Scheinwelt der "self-fullfilling-prophecy".
Der Versuch mittels der Vorstellung eine Welt aufzubauen, gleicht dem Versuch, die Regulative auszuschalten. Es mag eine Weile gelingen, sich die Vertreter des mundan vierten Quadranten vom Hals zu halten. Aber wie sagte selbst Josef Stalin am Ende seines Lebens desillusioniert zu einem Vertrauten? Am Ende, meinte er, siege doch immer nur der Tod.
Robert Müntefering (1949-2014)